Artikel: Trauerbewältigung für Kinder
 

Gastbeitrag: Warum Sterben, Tod und Trauer einen Platz im Leben brauchen

Trauerbegleiterin Ayşe Bosse schreibt über Trauer und wie Erwachsene Kinder dabei unterstützen können.

Trauer geht uns alle an. Ein Leben, und auch schon ein sehr junges Leben, trifft immer wieder auf Abschied und Trauer. Mein erster schmerzhafter Abschied war von zu Hause, als es auf die erste Klassenfahrt ging. Ich hatte richtig schlimm Heimweh, schon als wir im Bus saßen, und das tat weh. Abschied bedeutet Veränderung, Veränderung macht Angst und Angst tut weh.

Dann ein Umzug. Von einer kleinen Wohnung ging es in ein schönes, größeres Haus. Trotzdem war ich tief in Trauer, denn das war mein Zuhause gewesen und alles, was ich mir bis dahin unter einem Zuhause vorstellen konnte. Biki und Baki, meine beiden Goldhamster, starben beide nach einem schönen Hamsterleben kurz hintereinander. Im Laufe der Jahre folgten ihnen noch einige Haustiere und jedes Mal war das unendlich traurig. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar dafür, dass Haustiere trotzdem immer einen Platz in unserem Leben hatten und dass dieser Trauer immer Raum gegeben wurde. Mit feierlichen Beerdigungen mit Blumen und Grabreden. Ich habe damals gespürt, dass das Thema meine Eltern sehr berührt und auch verunsichert hat. Es ist nicht angenehm, wenn dein Kind mit dem Tod und all den Fragen und Ängsten dazu konfrontiert wird. Ich glaube, alle Eltern wünschen sich, dass das so spät wie möglich passiert. Sie möchten ihre Kinder solange es geht, davor schützen Verlust zu erfahren. Aber das lässt sich nicht wirklich vermeiden und ist tatsächlich sehr wichtig.

Der Tod gehört nun mal dazu

Gastbeitrag von Trauerbegleiterin Ayse Bosse - Plakat aus der Trauerarbeit mit Kindern

Meine ersten Erfahrungen mit dem Tod haben mich vorbereitet, auf all die Abschiede von geliebten Menschen und Tieren, die dann noch kamen. Ich erinnere mich, dass mich der Tod schon sehr früh in meiner Kindheit beschäftigt hat. Durch meine Arbeit als Trauerbegleiterin und Referentin zu dem Thema weiß ich, dass alle Kinder das umtreibt und sie viele Fragen dazu und Sorgen damit haben. Ein Kind sagte zu mir: „Wenn man darüber redet, wird die Angst kleiner.“ Dieser Satz sollte dann in meinem ersten Buch „Weil du mir so fehlst“ seinen Platz finden, denn er ist wichtig und richtig. Die Themen Sterben, Tod und Trauer müssen einen Platz im Leben bekommen und das schon bevor im engeren Umfeld jemand stirbt. Der Tod gehört nun mal dazu. Wir alle kommen auf die Welt und sterben eines Tages. Das ist hart. Aber gibt uns nicht auch das Wissen um unsere Sterblichkeit eine große Kraft und Chance, unser Leben bewusst zu leben und zu lieben?

Kinderbücher über Trauer

Kinderbuch von Ayse Bosse zur Trauerbewältigung Weil du mir so fehlst

Man kann und sollte den Tod ab und zu einmal willkommen heißen und dann auch wieder bitten zu gehen. Dazu fällt mir ein sehr schönes Buch ein, „Limonade“ von Jutta Bauer. Grundsätzlich sind Bücher ein besonders gutes Medium, um sich dem Thema anzunähern. Mit Geschichten erreicht man Kinder. Mithilfe von Geschichten kann man Verbindung herstellen, man kann darüber sprechen, sich selbst in ihnen wiederfinden, Trost finden und dann das Buch auch wieder zuklappen und lebendig und froh sein. Wir Erwachsenen sollten mehr Mut haben uns den Fragen der Kinder zu stellen. Wir können ihnen zutrauen, damit umzugehen. Auch mit Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Philosophiere mit deinem Kind darüber, was sein könnte, nach dem Tod. Ich mache das sehr viel mit meinen kleinen Klient*innen und bin immer wieder erstaunt und beflügelt von den Ideen und Intuitionen, die sie dazu haben.

Beim Trauern kann man nichts falsch machen

Gastbeitrag von Ayse Bosse über Trauer bei Kindern: Der Tod gehört nun mal dazu

Jeder darf so trauern, wie er das möchte und braucht. Wir sind alle einzigartige Individuen und genauso einzigartig ist unsere Trauer. Kinder haben außerdem eine besondere Gabe. Einen Selbstschutz-Mechanismus, der uns Großen oft verlorengeht. Sie verarbeiten nur so viel, wie sie gerade können und dann switchen sie ganz gesund um und spielen, lachen und sind fröhlich. Das ist gut. In Trauerbegleiter-Sprache nennt man das „Pfützen-Trauer“. Rein in die Pfütze springen, mit allen Emotionen, die dazu gehören: Traurigkeit, Angst, Wut, Vermissen und vieles mehr, und dann wieder raus aus der Pfütze: Leben!

Manche Kinder sind dann verunsichert, wenn sie beobachten, wie schwer, dramatisch und alles lahmlegend die Trauer bei Erwachsenen sein kann. Sie haben dann Schuldgefühle und denken sie trauern falsch. Wie gesagt, falsch gibt es nicht. Bitte ermutige und bestätige dein Kind darin, so zu trauern wie es sich anfühlt. Ermögliche ihm trotz der Trauer auch immer wieder glücklich sein zu dürfen. Die, die gestorben sind, wünschen sich nämlich für uns das schönste, bunteste und glücklichste Leben auf der Welt. Und wir uns doch auch.

Alles Liebe!

Ayşe Bosse

„Trauer ist Liebe, die nicht weiß, wo sie hinsoll.“
(Ich weiß nicht von wem der Satz stammt, finde ihn aber wunderschön.)

Empfehlungen von Ayşe Bosse zum Annähern an das Thema Tod:

Mit „Wir leben – wir fühlen“ starten und dann „Wir leben – wir sterben“ gemeinsam lesen.

„Weil du mir so fehlst“ im Trauerfall (passt auch super für Haustiere) gemeinsam lesen und ausfüllen. (Alter etwa 5 bis 12 Jahre)

„Einfach so weg“ für Teenager und junge Erwachsene.

P.S.: Alle Bücher helfen auch den Großen.

Autorin

Ayşe Bosse

Ayse Bosse war mal Model und Schauspielerin und arbeitet heute als Autorin und Trauerbegleiterin. Sie schrieb bereits mehrere Trauerbücher für Kinder und Jugendliche und erzielte damit große Erfolge. Ihr erster Kinderroman "Pembo" wurde sogar mit mehreren Preisen ausgezeichnet und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

Kinderbuchautorin Ayse Bosse

Foto von Franca Moring

Die Plakate oben im Beitrag stammen aus der Trauerbegleitung mit Kindern.

Das Buchinnenseitenbild ist aus dem Buch „Weil du mir so fehlst“.

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