Artikel: Kinderbuchmacher Andeas Steinhöfel im Interview
 

Andreas Steinhöfel über gute Kinderbücher und weiße Weihnacht

Der Bestseller-Autor spricht mit Leseliebe und verrät, was er sich für seine Buchfiguren & zu Weihnachten am meisten wünscht. Neugierig? Dann lies gleich rein!

Leseliebe: Herr Steinhöfel, wie Sie zu einem ‚Kinderbuchmacher‘ geworden sind, haben Sie schon so oft beantwortet*, dass wir unsere Einstiegsfrage extra für Sie ein wenig abwandeln: Was mögen Sie am Kinderbuchmachersein besonders gerne?

Andreas Steinhöfel: Ich darf mir Geschichten ausdenken (und überlegen, wie ich sie präsentieren möchte). Ich hab keinen Chef und keine Mitarbeiter, die mich nerven. Meinen Arbeitsalltag bestimme ich selber, und wenn mir danach ist, tausche ich den Platz hinterm Schreibtisch gegen den in einem Theater, wo ich vor Hunderten von begeisterten Kindern vorlesen darf.

Leseliebe: Was macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?

Andreas Steinhöfel: Es muss so geschrieben sein, dass es etwas mehr als bloß Lesespaß macht. Lustig ist gut, spannend ist auch gut, aber am schönsten finde ich es, wenn es einem Buch gelingt, den Leser nicht nur zum Mitfiebern, sondern auch zum Mitfühlen zu bewegen. Und dann, wenn man etwas zwischen die Zeilen packt, was der Leser zunächst vielleicht gar nicht bemerkt. Aber es ist da, und es bewegt ihn – mit etwas Glück – noch weit über das Lesen hinaus.

Leseliebe: Sie haben einen magischen Wunsch frei und dürfen drei Bücher bestimmen, die jedes Kind auf der Welt in seiner Kindheit liest. Abgesehen von Ihren eigenen, für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Andreas Steinhöfel:

- Der geheime Garten (Frances Hodgson Burnett)

- Der kleine Nick (Sempé & Goscinny)

- Wölfe ums Schloss (Joan Aiken)

Leseliebe: Sie haben in Interviews schon häufig erzählt, dass Sie als Kind zwar noch keine Geschichten geschrieben, aber immer unheimlich gerne gelesen haben. Nach welchen Kriterien haben Sie Ihren Lesestoff ausgesucht? Spielten dabei auch Jahreszeiten oder Anlässe wie Weihnachten eine Rolle?

Andreas Steinhöfel: Nein, solche äußeren Anlässe haben mich nie interessiert. Mir ging es ausschließlich darum, mich entweder in eine romanhafte Geschichte zu versenken (darin war ich dann gefühlsmäßig aufgehoben) oder mir durchs Lesen von Sachbüchern Wissen anzueignen (darin war mein Verstand aufgehoben).

Innenseite Rico, Oskar und das Vomhimmelhoch

Leseliebe: Mit der zweifach verfilmten Geschichte „Es ist ein Elch entsprungen“ und der Rico-und-Oskar-Geschichte „Das Vomhimmelhoch“ haben Sie selbst bereits zwei Weihnachtsgeschichten geschrieben. Was interessiert Sie als Schriftsteller an diesem Feiertag oder an der Weihnachtzeit?

Andreas Steinhöfel: Gar nichts. Außer dass man die Weihnachtszeit dramaturgisch gut nutzen kann, weil dann a) viele Leute miteinander rumhängen, die sich freiwillig womöglich nie im selben Raum aufhalten würden. Und weil b) diese Zeit dermaßen mit Erwartungen belastet ist, dass schon die kleinste Abweichung vom großen Weihnachtsplan als schwere Katastrophe empfunden wird.

Leseliebe: Was gehört für Sie persönlich zur Weihnachtszeit und zum Weihnachtsfest unbedingt dazu?

Andreas Steinhöfel: Schnee und Geschenke. Außerdem Schnee, Schnee und Schnee, plus das weiße Flockenzeugs, das im Winter manchmal vom Himmel fällt. Einer meiner Lieblingsfilme ist Das fliegende Klassenzimmer (der alte, in schwarz-weiß), unter anderem deshalb, weil es da am Anfang so schön passend schneit.

Leseliebe: Ihre zwei beliebten Kinderbuchhelden Rico und Oskar darf man nun in einem fünften und wie Sie sagen definitiv letzten Band noch einmal wiedertreffen („Das Mistverständnis“). Was geben Sie Ihren sehr liebenswerten Figuren nach zwölf gemeinsamen Jahren [der erste Band erschien 2012] zum Abschied mit auf den Weg? Was war Ihnen wichtig, für die Jungs abschließend zu klären, sie erkennen zu lassen oder als ihr ‚Schöpfer‘ in ihrem Umfeld noch zu arrangieren?

Andreas Steinhöfel:

1) Nur weil alle etwas machen, müsst ihr es nicht mitmachen.

2) Versucht, euren Kopf und euren Bauch nicht zu oft miteinander streiten zu lassen.

3) Geht Menschen aus dem Weg, die von ihrer eigenen Güte gerührt sind.

4) Nehmt euch nie zu wichtig, und nehmt euch erst recht nicht zu ernst.

5) Esst immer nur höchstens so viel Schokolade, bis sie alle ist!

Headerbanner Herzgebreche

Leseliebe: Welches Kinderbuch oder welche Lese-Situation hat in Ihrer eigenen Kindheit einen Eindruck hinterlassen, der bis heute nachwirkt und warum?

Andreas Steinhöfel: Jim Knopf war das Buch, das mich am meisten beeindruckt hat. Ich habe es locker zwanzig Mal oder öfter gelesen, immer aufs Neue völlig atemlos. Ich hätte aber kaum ausdrücken können, warum es mir so ging – vermutlich hätte ich bloß gesagt, das Buch sei spannend – weil mir dazu (neben ein wenig Lebenserfahrung) das nötige Hintergrundwissen fehlte: hauptsächlich das um Psychologie, Mythen und Archetypen. Michael Ende hat damit meisterhaft gearbeitet.

Leseliebe: Mit welchem Kinderbuchhelden – aus Ihrem eigenen Schaffen oder auch anderen Büchern – haben Sie sich in Ihrem Leben bisher am meisten identifiziert und warum?

Andreas Steinhöfel: Ich identifiziere mich nicht. Ich beobachte gerne Menschen, und was mir dazu einfällt (nicht zu verwechseln mit dem, was ich dabei sehe!), versuche ich dann in Geschichten zu verpacken. Das bedeutet: Ich bin immer außerhalb meiner eigenen Figuren. Mit Figuren, über die ich lese, geht es mir aber nicht anders: Sie interessieren mich als Gegenüber, aber nicht als Spiegel.

Leseliebe: Ergänzen Sie abschließend doch bitte noch netterweise den folgenden Satz für uns: Leseliebe ist …

Andreas Steinhöfel: … Tee kochen, den Lesesessel mit Kissen und Decken kuschelig machen, Telefon und Handy ausschalten, und abtauchen in fremde Welten. Eventuell sitzt dabei auch noch mein Hund auf meinem Schoß.

 

*Für alle, die es noch nicht wissen: Es war der Ärger über ein sehr doofes Kinderbuch und der Versuch, es selbst besser zu machen. Heraus kam sein Bestseller „Dirk und ich“ und das war dann gleichzeitig der Beginn seiner Schriftsteller-Karriere.

Autor

Andreas Steinhöfel

Andreas Steinhöfel ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Er hat den Erich Kästner Preis für Literatur, den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk, den James-Krüss-Preis und noch viele Preise und Auszeichnungen mehr für seine Bücher verliehen bekommen. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.

Kinderbuchmacher Andreas Steinhöfel

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