Wenn Kinder sich von ihren engsten Bezugspersonen trennen müssen, ist das häufig mit viel Schmerz, Verlustangst und Traurigkeit verbunden. Gerade dann, wenn die Betreuungspersonen die weitere Umgebung noch ungewohnt sind, fällt es Kindern besonders schwer loszulassen. Gleichzeitig ist das Überwinden von Trennungsschmerz eine wichtige Entwicklungsaufgabe. Sofern dieser Schmerz liebevoll begleitet wird, wird das Kind daraus gestärkt hervorgehen. Das erste Fremdeln im Säuglingsalter, die KiTa-Eingewöhnung, der Schulstart und viele weitere Phasen im Leben eines Kindes können können Verlustangst und
Trennungsangst beim Kind auslösen. Doch was können Eltern hier konkret tun, um ihr Kind zu begleiten?
Gastbeitrag: Trennungsschmerz - wie können Eltern ihr Kind gut begleiten?
Von Fremdeln bis Schulstart - Familienpsychologin und Grundschullehrerin Dr. Martina Stotz gibt hilfreiche Tipps für Trennungsphasen!
1. Vertrauen in die neuen Bezugspersonen aufbauen
Dein Kind spürt, ob du der ErzieherIn der LehrerIn zutraust, dein Kind begleiten zu können. Deshalb ist deine innere Haltung bei der Trennung entscheidend. Sag dir deshalb gerne innerlich: „Mein Kind wird in Sicherheit sein und ich vertraue darauf, dass mein Kind getröstet wird, wenn es mich vermisst.“ Solltest du dann mit einem schlechten Gewissen gehen, mache dir bewusst, dass du ein klares WARUM hast, weshalb du gehst.
2. Trennung üben
Nutze immer wieder kleine Zeitfenster dein Kind abzugeben, um Trennung zu üben. Verlasse z.B. bereits im Säuglings- und Kleinkindalter immer wieder mal den Raum und zeige, dass du wiederkommst. Wenn Verwandte oder Bekannte zu Besuch sind, trau dich dein Kind abzugeben und nutze die Zeit für dich, falls möglich. Lass dein Kind im Vorschulalter z.B. gerne auch mal bei einer vertrauten Person übernachten. WICHTIG: Beginne zunächst mit kleineren Zeitabschnitten, die dann immer mehr ausgeweitet werden können.
3. Umgebung kennenlernen durch Vorbereitung
Spaziert z.B. vor dem Schulstart immer wieder mal zum Schulgebäude oder schreibt Briefe oder malt ein Bild für die neue LehrerIn/ErzieherIn. Spielt Schule/KiTa in Rollenspielen und schaut euch Fotos an, wie ein Klassenzimmer aussehen wird. Umso mehr Gewohntes deinem Kind in der neuen Situation begegnet, umso geborgener kann es sich fühlen. Vielleicht könnt ihr auch vor KiTa oder Schulstart bereits ein Kind kennenlernen, das mit in die gleiche Gruppe/Klasse geht. Schaut euch gerne auch Kinderbücher an, die die neue Situation beschreiben und sprecht darüber, wie sich die Kinder im Buch wohl fühlen beim Abschied. Mache deutlich, dass traurig sein ganz normal ist und dass Tränen dabei helfen, dass die „Traurigkeit“ leichter wird. Auch das könnt ihr im Rollenspiel nachspielen.
4. Abschiedsrituale
Findet kleine Rituale, die deinem Kind den Abschied leichter machen. Zum Beispiel kannst du deinem Kind ein Herz auf die Hand malen, einen Schal umbinden, der nach dir riecht, ein Foto von in die Jackentasche stecken. Kinder haben hier eine blühende Fantasie und diese darfst du nutzen. Zaubere z.B. in einen kleinen Stein ganz viel Liebe und Nähe zu dir rein oder male ein Zauberherz auf die Hand, das dein Kind an dich erinnert. So spürt dein Kind deine Nähe, obwohl du weggehst und wird darüber ruhiger und sicherer.
5. Tagestransparenz visualisieren und besprechen
Wiederhole schon Tage vorher immer wieder mit deinem Kind, wie der Tag der Trennung ablaufen wird. Deinem Kleinkind helfen hier Bildkarten, die ihm eine Orientierung für den Tagesablauf geben. Dadurch sieht dein Kind genau, wann du wiederkommst und ihm wird auch deutlich, was du in der Zeit tust, während du weg bist. Manchmal machen sich Kindern nämlich tatsächlich Sorgen um ihre Eltern und möchten sie deshalb in Sicherheit wissen. Nenne unbedingt den genauen Zeitpunkt, wann du dein Kind abholst. So weiß dein Kind, dass du sicher heute wiederkommst. „Zuerst bringe ich dich in die Kita, dann verabschieden wir uns mit dem Eskimo- Kuss. Dann spielst du mit den anderen Kindern. Mama arbeitet und danach hole ich dich nach dem Mittagessen wieder ab.
6. Trennungsschmerz – mit Empathie auf das Gefühl eingehen
Ein Abschied ohne Tränen ist nicht das Ziel. Versuche deshalb anzunehmen, dass dein Kind seine Traurigkeit einfach ausdrücken will und über die Tränen den Trennungsschmerz verarbeitet. Gib deinem Kind dann zunächst die Einfühlung, die es braucht, schenke ihm zum Abschied nochmal ganz viel Nähe und Liebe und mach dann durch ein vorher besprochenes Abschiedsritual klar, dass du gehst. Wichtig ist es dabei, das Gefühl deines Kindes anzunehmen und zu akzeptieren, dass es traurig ist oder Angst hat. Sage z.B.: „Ich weiß, du bist jetzt traurig, und du würdest viel lieber bei mir bleiben. Du hast gerade Angst und würdest jetzt noch ein bisschen Mama brauchen.“ Gehe wirklich erst dann, wenn du deinem Kind sehr viel Empathie gegeben hast. Nimm dir Zeit zum Verabschieden und bitte gehe nicht heimlich. Wenn dein Kind dann immer noch weint, ist das in Ordnung, sofern es bereits einen Bezug zur neuen Betreuungsperson aufbauen konnte. So kann ab jetzt diese das Trösten übernehmen. Besprich dich gerne vorher klar mit der ErzieherIn/LehrerIn, damit auch du ein sicheres Gefühl hast. Der Austausch ist hier für dich sehr wichtig, damit du beruhigt gehen kannst. Sobald dein Kind die Trennungssituation gemeistert hat sprich aus, dass du stolz bist und dich freust, dass dein Kind die Trennung geschafft hat. So zeigst du, wie wichtig es dir ist, dass dein Kind stark und unabhängig wird. Darüber hat dein Kind ein Erfolgserlebnis und fühlt sich selbst stärker und selbstbewusster. Solltet ihr große Schwierigkeiten in Trennungssituationen haben, kannst du dir auch gerne unser Online-Seminar zu Trennungsängsten anschauen und dadurch deine innere Haltung für die Trennungssituation stärken.
Dr. Martina Stotz
Dr. Martina Stotz ist Doktorin der Familienpsychologie, Grundschullehrerin und Schulberaterin. Auf ElternLeben.de berät sie als Expertin rund um schulische Probleme und familiäre Herausforderungen. Seit vielen Jahren begleitet Dr. Martina Stotz Kinder und Eltern in der Erziehung- und Familienberatung. Des Weiteren hält sie Fortbildungen für Pädagogen (Thema: „Achtsame Kommunikation mit Kindern“). Ihre Vision ist es, dass Familien und Pädagogen in unserer Gesellschaft mehr Unterstützung bekommen, damit Kinder gewaltfrei und emotional gesund heranwachsen können. „In jedem Konflikt steckt eine große Chance, sich positiv weiterzuentwickeln!“
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