schaurig – frech – fantastisch

Emily lebt mit ihrem langweiligen Vater und ihrer umso wilderen Mutter in London. Der Vater ist von Beruf Briefträger, mag seine Ruhe und gärtnert gerne. Die Punk-Musik hörende, Stiefel tragende Mutter sucht dafür regelmäßig in Müllcontainern nach Teilen für ihre eigenwilligen Schrott-Skulpturen und zieht auch noch Emily in diese peinlichen Beschaffungsmaßnahmen mit hinein. Deswegen gab es mal wieder Streit. Der ist aufgrund der familientypischen großen Klappe dermaßen entgleist, dass Emily für den Rest ihres Lebens Zimmerarrest hat. Dennoch bekommt sie mit, dass mitten in der Nacht ein seltsamer Brief zugestellt wird. Noch seltsamer ist das folgende Gespräch zwischen ihren Eltern, das sie belauscht. Dann ist erst ihre Mutter ‚verreist‘; kurz darauf muss auch noch ihr Vater dringend etwas klären. Vergebens wartet Emily auf dessen Rückkehr und die versprochenen Erklärungen. So nehmen die absolut unvorhersehbaren Ereignisse ihren Lauf, die Emily zur Mitternachtsstunde durch London streifen und einen schaurig-fantastischen Ort entdecken lassen.

Für diesen actionreichen Auftakt zu der Fantasy-Trilogie von Laura Trinder und Benjamin Read reichen die drei oben genannten Adjektive bei weitem nicht aus. Mindestens zu ergänzen ist, dass das Buch auch unheimlich witzig, schrill, originell, mitreißend, mysteriös und SPANNEND ist. Da die überraschenden Entwicklungen und Wendungen einen bedeutsamen Teil der packenden Story ausmachen, soll hier im Detail nicht mehr verraten werden. Nur so viel: Neben dem Fantasy-Aspekt geht es mit Emily um einen vorlauten Charakter, der sich mit seiner großen Klappe ständig in Schwierigkeiten bringt. Das führt von einer Katastrophe in die nächste, zeigt aber auch ein typisch vorpubertäres Gefühlsspektrum. Es schwankt zwischen Trotz und Scham, Frechheit, Mut, Schock und Angst. Der Ton ist dabei rotzig pubertär, ironisch, seeehr witzig und unangestrengt authentisch. Das macht das Lesen zu einer rasanten Achterbahnfahrt, die mit frischem Wind die Wangen (deiner Fantasie) rötet und für ein prickelndes Gefühl von Lebendigkeit sorgt.

In der Mitternachtsstunde wimmelt es nur so von windigen Typen, schrägen Gestalten und originellen Orten. Als würde man bei Harry Potter in die Winkelgasse springen und von dort aus zu Scotland Yard und einmal quer durch den Märchenwald reisen. Das sorgt auf mehr als 300 Seiten für massig Unterhaltung. Passend zur Leseempfehlung ab 10 Jahren sind Schriftgröße und Zeilenabstände dabei schon recht erwachsen, mit anderen Worten: ziemlich klein. Es gibt auch keine typisch kinderbuchigen Illustrationen. Dafür beginnt aber jedes Kapitel mit einer eingeschnörkelten Kapitelzahl. In die ist eine kleine, elegante Schwarz-Weiß-Illustration eingebunden, die jeweils einen Ausblick auf die Kapitelhandlung gibt. Für dich vielleicht auch noch wichtig zu wissen: Trotz weiblicher Hauptfigur ist „Mitternachtsstunde“ ein absolut jungstaugliches Fantasy-Abenteuer und bringt selbst Erwachsenen – wie zum Beispiel uns in der Leseliebe-Redaktion – viiiiieeeel Spaß. Deswegen ist das Fantasybuch auch toll zum Vorlesen, zum Erst-du-ein-Stück-dann-ich-ein-Stück-Lesen oder zum Parallel-Lesen und sich darüber austauschen.

Welches Fantasy-Abenteuer hat dir in deiner Kindheit richtig viel Spaß beim Lesen gemacht? Hast du es auch schon deinem Kind vorgelesen oder zum Selberlesen gegeben? Was für Fantasy-Bücher mag dein Kind gerne? Kennt es vielleicht sogar schon die „Mitternachtsstunde“? Wenn ja, wie hat ihm das Fantasy-Buch gefallen? Schreib uns gerne einen Kommentar!