Artikel: Kinderbuchmacher Rüdiger Paulsen im Interview
 

Rüdiger Paulsen über Pixi-Bücher

Wie ist der Autor der meisten Pixi-Bücher überhaupt Kinderbuchmacher geworden? Wir haben ihn gefragt!

Leseliebe: Herr Paulsen, Sie haben in Ihrem Leben ganz unterschiedliche berufliche Stationen durchlaufen, waren unter anderem Chemielaborant, Unternehmer und Kindergärtner, haben Sozialpädagogik studiert und ein Puppentheater gegründet. Wie sind Sie bei all dem dann noch zum Pixi-Buchautor geworden?

Rüdiger Paulsen: Ich liebe die Abwechslung in meinem Leben. Wenn mir etwas gefällt, dann mache ich das. Wenn sich herausstellt, dass es nicht so toll ist, höre ich sofort wieder damit auf.

Ihre schöne Aufzählung kann ich noch ergänzen. Hinzu kommen noch: Taxifahrer, Hausmeister, Nachtwächter, Ballonkünstler, Event-Organisator und Rezitator von literarischen Texten für Erwachsene. Seit 2017 bin ich auch noch Vorleser. Zusammen mit meiner Frau habe ich das Vorleseprogramm »Geschichten aus der Pixi-Kiste« entwickelt.

Dass ich Pixi-Buch Autor geworden bin, habe ich einer wundersamen Fügung zu verdanken, von denen mir mehrere in meinem Leben begegnet sind. Auf der Geburtstagsfeier eines Freundes lernte ich Eleonore Gregorie vom Carlsen Verlag kennen. Sie wusste, dass ich Kinder- und Puppentheater spiele, mir die Stücke selbst ausdachte und inszenierte und schlug vor, auch einmal für Pixi zu schreiben.

Meine Theaterstücke, Dialoge und Abläufe, habe ich aber nie schriftlich festgehalten. Es entstand alles in meinem Kopf und ich habe so lange geprobt und herumprobiert, bis alles passte.

Kurz gesagt: Ich hatte keine Ahnung vom Schreiben und wusste nicht mal, dass das ein Handwerk ist. Aber Eleonore gab mir in den folgenden Monaten eine erstklassige Schulung darin, wie eine gute Pixi-Geschichte aussieht und was sie beinhalten soll. Es hat mich sofort gepackt. Das meiste in meinem Leben habe ich als Autodidakt gelernt und bin immer gut damit gefahren. Professionelle Hilfe habe ich mir geholt, wenn es notwendig wurde. Über Schreibratgeber, Blogs und andere Autor*innen erarbeitete ich mir Kenntnisse über das Schreibhandwerk. Seit 13 Jahren schreibe ich nun jeden Tag, zusammen mit meiner Frau, die meine schärfste Kritikerin, Ideengeberin und erste Lektorin ist. Das ist eine große Hilfe. Pixi-Bücher zu schreiben ist Freude und Vergnügen pur.

Pixi-Buch-Autor und Vorleser Rüdiger Paulsen im Interview

Leseliebe: 2024 gibt es die beliebten Pixis bereits seit 70 Jahren und Sie halten aktuell den Rekord als Autor mit den meisten Pixi-Titeln. Wie viele der insgesamt mehr als 2.000 verschiedenen Pixi-Geschichten stammen denn von Ihnen? Und erinnern Sie sich noch an Ihr allererstes Pixi?

Rüdiger Paulsen: Zurzeit sind 125 Titel meiner/unserer Pixi-Bücher erschienen. Weitere 25 liegen noch im Verlag und erscheinen in den nächsten Jahren. Natürlich kommen auch ständig neue Geschichten hinzu. Und dann sind da ja auch noch die vielen Übersetzungen in andere Sprachen. Zurzeit gibt es Geschichten von uns in 14 Ländern. Eine eigene Geschichte plötzlich in chinesisch oder albanisch in der Hand zu halten, empfinden wir als großes Lob und Anerkennung unserer Arbeit. Das erste Pixi, das ich geschrieben habe, war: »Kleiner Fisch will einen neuen Namen«. Das erste erschienene Pixi von mir trug den Titel „Unser Weihnachtsbaum“.

Leseliebe: Von der ersten Idee bis zum fertigen Text: Wie entsteht ein neues Pixi aus Ihrer Feder?

Rüdiger Paulsen: Da gibt es viele Wege. Einmal die berühmte „Was wäre wenn ...?“-Frage. Was könnte passieren, wenn die kleine Lisa ein kleines Ungeheuer findet, das sich verlaufen hat? Was würden zwei Räuber machen, wenn sie nichts mehr räubern könnten, weil ihre Räuberhöhle pickepacke voll ist?

Eine gute Möglichkeit Ideen zu finden, ist es auch, Dinge zu tun, die nicht unbedingt alltäglich sind, die man nicht so häufig macht: eine spontane Wanderung mit Kindern, mit ihnen kegeln gehen oder einen Vergnügungspark zu besuchen. Auch ungewöhnliche Museen bieten sich an, wie zum Beispiel ein Ziegeleimuseum. Oder, auch sehr interessant, sich an Orte zu begeben, an denen man noch niemals war: auf einer Kaninchenzuchtausstellung, die Katakomben einer Burg oder Kirche zu erforschen oder die Stille eines Zen-Klosters zu erfahren. Mitunter begegnet man bei solchen Exkursionen Dingen, auf die man sonst nie getroffen wäre.

Manchmal reicht mir aber auch nur ein Bild oder ein Wort und eine Geschichte entsteht in meinem Kopf.

Die erste Version schreibe ich immer mit der Hand in mein Schreibbuch, meistens in einem meiner Lieblingscafés. Abends tippe ich den Text dann in den Rechner, drucke ihn aus und beginne mit der Überarbeitung. 10 – 15 Überarbeitungen sind die Regel, bevor eine Endfassung fertig ist.

Rüdiger Paulsen: Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit als Pixi-Autor besonders gut? Was sind daran für Sie die größten Herausforderungen?

Ein Pixi-Buch braucht alles, was größere Bilderbücher und Romane auch brauchen: einen klaren, direkten Einstieg in die Geschichte, symphatische Protagonisten, einen Spannungsbogen (für die Zielgruppe nicht zu spannend), einen Höhepunkt und einen schönen, beruhigenden Abschluss. Der Text sollte witzig sein, darf Cliffhanger enthalten und auch überraschende Wendungen haben. Das alles müssen Pixi-Autor*innen auf elf Doppelseiten und einer Schlussseite unterbringen und das ist schon eine ziemliche Herausforderung, weil Platz und Zeichenzahl begrenzt sind. Oftmals muss ich zu der unangenehmen Kürzungsmethode »Kill your Darlings« greifen, um die vorgegebene Zeichenzahl einzuhalten. Im Laufe der Jahre konnte ich aber ein ziemlich gutes Gespür für die Textlänge entwickeln und Kürzungen halten sich in Grenzen. Gleichzeitig muss die Illustration beim Schreiben immer mitgedacht werden. Das ist aber auch sehr hilfreich, weil alles, was die Illustration zeigen kann, nicht mehr im Text auftauchen muss. Mit Dialogen gehe ich sparsam um, weil sie, wenn sie zu umfangreich ausfallen, nur schlecht illustriert werden können.

Ich mag es, in Fantasiewelten einzutauchen. Das bereichert mein Leben, lockert es auf und schafft einen wunderbaren Gegenpol zur Alltagsrealität, die ja auch bewältigt werden will.

Leseliebe: Sie schreiben sowohl kleine Erzählungen für die Pixi-Bücher als auch gereimte Geschichten. Von Ihnen stammen Gute-Nacht-Geschichten, Tiergeschichten, Osterbücher und Weihnachtsgeschichten, Pixis über Hexen, Fußball, Ponys und vieles, vieles mehr. Wie kommt diese Vielfalt zustande?

Rüdiger Paulsen: Ich denke, dass alle Geschichten schon da sind. Man muss sie nur, wie Stephen King in seiner Autobiografie erzählt, behutsam ausgraben, um sie dann mit den Werkzeugen des Schreibhandwerks zu Papier bringen, schleifen und verfeinern, und zwar solange, bis sie dem Stand der eigenen Fähigkeiten entsprechend, fertig sind. Nicht alles, was dabei entsteht, ist für Pixi geeignet. Oder vielleicht ist es das sogar, aber es gibt bei Pixi gerade keinen Programmplatz dafür. Darum schlummern auch noch viele fertige Geschichten in meinem Rechner. Manchmal kommt es vor, dass die Pixi-Redaktion schnell eine Geschichte zu einem bestimmten Thema wünscht und dann kann ich auf diese Texte zurückgreifen.

Viele Ideen für Geschichten finde ich im Alltag oder in schon erlebten Situationen. Ich habe immer ein Schreibbuch in der Tasche und sobald mir etwas Interessantes begegnet, schreibe ich das auf. Manchmal, wie schon erwähnt, ist es nur ein Wort, das mich später zu einer Geschichte inspiriert. Und dann habe ich natürlich den Vorteil, dass ich seit 40 Jahren mit Kindern arbeite, die genau die Zielgruppe von Pixi darstellen (3 – 6 Jahre), und die mir schon viele tolle Ideen geliefert haben.

Das Pixi-Buch „Der Megagruselsaurus“ habe ich mit meiner kleinen Freundin Mieke (9 Jahre) geschrieben.

Und ja, ich mag Reime und die Kinder mögen sie auch. Mit Reimen kann ich in meinen Geschichten noch mehr Wortspiele und Witz unterbringen.

Leseliebe: Was macht ein gutes Pixi-Buch für Sie aus?

Rüdiger Paulsen: Witzige, unterhaltsame Texte, die von Seite zu Seite immer neugieriger machen und so dazu beitragen, die Kinder an das Lesen heranzuführen. Ein Pixi-Buch darf nicht langweilig sein, es darf aber, neben der fantasievollen Geschichte, durchaus auch Tipps oder Hinweise erhalten, die den Kindern erlauben, sich in ihrem Alltag besser zurechtzufinden. Wenn die Geschichten dann noch von einfühlsamen Illustrator*innen bebildert werden, ist ein Pixi optimal.

Kinderbuchmacher im Interview: Rüdiger Paulsen Autor der meisten Pixi-Bücher

Leseliebe: Was wünschen Sie Pixi zum siebzigsten Geburtstag?

Rüdiger Paulsen: Pixi hat es geschafft, die größte und erfolgreichste Bilderbuchreihe der Welt zu werden. Die thematische Vielfalt ist unübertroffen und unerreicht. Ich wünsche Pixi, dass er weiterhin von vielen kreativen Menschen auf seinem Lebensweg begleitet wird.

Leseliebe: Sie haben einen magischen Wunsch frei und dürfen drei Bücher bestimmen, die jedes Kind    auf der Welt in seiner Kindheit liest. Wovon sollten die Kinderbücher handeln? Oder haben Sie konkrete Buch-Tipps für uns?

Rüdiger Paulsen: Ich habe meinen Kindern viele Jahre lang jeden Abend eine Geschichte erzählt und sie durften sich immer wünschen, was passieren sollte und wer da mitspielt. Zum Beispiel sollte es etwas mit Piraten sein, ein Baumgeist sollte auch vorkommen und dann noch ein Honigfisch. Bei so einer Vorgabe war ich als Geschichtenerfinder gefordert. Die Kinder öffneten mir Türen in ihre Fantasiewelt, die mir sonst wahrscheinlich verschlossen geblieben wären. Und so sollten Kinderbücher sein: In die Fantasiewelten von Kindern eintauchen, in denen alles möglich ist. Wenn man das geschickt mit der wirklichen Welt verknüpft, bekommen die Kinder, wie gerade schon gesagt, Möglichkeiten aufgezeigt, die ihnen in ihrem Alltagsleben hilfreich sein können.

Bücher, und besonders Bilderbücher, erlauben es Kindern in ihrem eigenen Tempo zu lernen, Erfahrungen zu sammeln und Erkenntnisse zu gewinnen, weil sie beliebig oft angeschaut oder gelesen werden können. Gleichzeitig können Bücher Rückzugsorte sein, die Kindern Ruhe- und Entspannungsmöglichkeiten bieten.

Konkrete Buchtipps zu geben halte ich für schwierig, weil jedes Kind anders ist.

Gut wäre es, mit Kindern mehrmals im Jahr in einen Buchladen zu gehen und zu sagen: „Such dir ein Buch aus!“ Bibliotheken gehen natürlich auch.

Leseliebe: Welches Kinderbuch oder welche Lese-Situation hat in Ihrer eigenen Kindheit einen Eindruck hinterlassen, der bis heute nachwirkt und warum?

Rüdiger Paulsen: Einen bis heute bleibenden Eindruck haben die fantastischen Mecki-Bilderbücher auf mich gemacht, die von 1952 bis 1964 regelmäßig zu Weihnachten erschienen und fantastisch illustriert waren. „Mecki fliegt zum Mond“, „Mecki im Schlaraffenland“, „Mecki bei den Chinesen“ und viele mehr. Solche fantastischen Geschichten, mit Bildern, die unabhängig vom Text nochmals eigene Geschichten erzählen, vermisse ich heute auf dem Buchmarkt ein bisschen.

Und dann war da natürlich noch „Kalle Blomquist“ von Astrid Lindgren und die wundervollen Bücher von Enid Blyton.

In der Grundschule hatte ich eine wunderbare Lehrerin, die uns im Kunstunterricht eine Aufgabe gab, und, während wir malten oder bastelten, die Bücher von Enid Blyton vorlas. Damit hat sie bei mir die Begeisterung für das Lesen geweckt, die mich bis heute nicht verlassen hat.

Etwas später kam dann Karl May dazu, dessen 82 Bände ich alle mehrfach gelesen habe und die zum größten Teil heute noch in meinem Bücheregal stehen.

Leseliebe: Ergänzen Sie doch netterweise den folgenden Satz für uns: Leseliebe ist … 

Rüdiger Paulsen: … das Wertvollste, das wir Kindern schenken können.

Autor

Rüdiger Paulsen

Rüdiger Paulsen hat Sozialpädagogik studiert und als Kindergärtner gearbeitet. 1986 gründete er das Kinder- und Puppentheater Flügeli Rosinchen, 1991 das Puppenburger Turmtheater. Seit 1997 ist er Lehrer für Luftballonkunst, seit 2005 existiert das Theaterbüro Paulsen. Während seiner Laufbahn schrieb er schon immer Theaterstücke und Bilderbücher für Kinder und Erwachsene.

Rüdiger Paulsen - Autor der meisten Pixi-Bücher

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