Welcher Buchstabe ist das? Ein D. Und der? Ein I. Fasziniert blickt mein Sohn auf seinen Dinosaurier-Pullover. Nicht der große Tyrannosaurus Rex weckt gerade sein Interesse, sondern die Schrift darunter. Irgendetwas Spannendes muss sich doch hinter diesen komischen Symbolen verstecken. Schließlich sind sie überall, in Büchern, auf dem Pullover, in der Stadt, auf dem Spielzeug. In solchen kindlichen Aha-Momenten steckt etwas ganz Wunderbares und zwar die Gelegenheit, als Papa der kindlichen Entwicklung beim Voranschreiten (oder besser Voranrennen) zuzusehen. Besonders die Entwicklung der Sprache lässt mich immer wieder stauen.
Gastbeitrag: Vorlesen ist die beste Vorbereitung für die Schule
Schon bevor unsere Kinder lesen und schreiben lernen, sind Vorlesen und Geschichten erzählen ein Tor in die Welt der Buchstaben.
Vorlesen erleichtert den Lesestart
Im Laufe des ersten Lebensjahres wird aus Schreien, Gurren und Glucksen das erste Baba, irgendwann folgt dann Mama, Papa und andere Worte. Ball und Auto waren bei meinem Sohn lange Zeit Universalbegriffe für alles, auf das er mit seinen kleinen Fingern zeigte – egal ob Vogel, Oma, die Baustelle oder der große Nachbarshund. Irgendwann um den zweiten Geburtstag explodiert dann der kindliche Wortschatz. Auch schon davor saugt unser Nachwuchs alles Gesagte und Gehörte wie ein Schwamm auf und „speichert“ es in seinem eigenen „Wörterbuch“. Umso wichtiger ist es, viel mit seinem Kind zu reden, es zum Erzählen anzuregen und ihm vorzulesen. Ja, das ist keine große Neuigkeit. Aber ich wollte die Vorzüge des Vorlesens und Miteinanderredens an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Immerhin zeigen Studien, dass Kindern, denen regelmäßig vorgelesen wird, einen größeren Wortschatz besitzen, mehr Spaß am Selbstlesen haben und beim Einstieg in die Schule leichter Schreiben und Lesen lernen. Und ohne in einen Förderwahn zu verfallen, kann man den Grundstein dafür schon im Kindergartenalter legen – ganz spielerisch und angenehm für alle.
Buchstaben sind irgendwie spannend
Kinder entdecken im Laufe des dritten Lebensjahres Buchstaben für sich. Wie mein Sohn fordern sie zum Beispiel, bestimmte Buchstaben oder ganze Worte auf Schildern, im Lieblingsbuch oder eben auf dem Pullover vorzulesen. Oft erkennen sie auch ihren eigenen Namen wieder oder können kurze und lange Wörter voneinander unterscheiden. Das wachsende Interesse für die die Schrift verwundert nicht. Immerhin spielen Buchstaben und geschriebene Worte in der ach so spannenden Welt der Große offenbar eine wichtige Rolle. Und genauso gibt es im kindlichen Alltag genug Berührungspunkte – vor allem durch Kinderbücher. Manchmal kommt bei uns auch ein handgeschriebener Brief von der Oma an oder Papa muss nach dem Bezahlen mit der Plastikkarte unterschreiben. Deshalb wird bei uns nicht nur fleißig nach Buchstaben gefragt, sondern auch regelmäßig geschrieben – zum Beispiel Briefe an die Oma oder Einladungskarten für den nächsten Geburtstag.
Schrift ist „nur“ eine weitere Ausdrucksform der Sprache
Bisher steht der halbe Kindergarten auf der Gästeliste, alle Fellfreunde, Peppa Wutz, Pippi Langstrumpf und Dr. Brumm. Zum Glück sind die Einladungen noch sehr unleserlich und erinnern stark an die Handschrift unseres Hausarztes. Sonst müssten wir den Geburtstag in eine Mehrzweckhalle verlegen. Trotzdem ist es wichtig, dass Kind in seinen ersten Schreibbemühungen zu bestärken und sie nicht einfach als Gekritzel abzutun. Immerhin ist jede Art des Malens und Daraufloskritzelns feinmotorisch gesehen eine gute Basis für das Schreiben. Achtung: Es geht nicht darum, unseren Kindern selbstständig Lesen und Schreiben beizubringen. Viel wichtig ist es, das Interesse ernst zu nehmen und aufzugreifen und positive Lese und Schrift–Erfahrungen zu schaffen. Und dabei ist Vorlesen und Erzählen das allerwichtigste – denn unsere Schrift ist „nicht mehr“ als eine weitere Ausdrucksform der Sprache.
Wimmelbücher regen zum Sprechen an
Wie fördern wir als Eltern also Freude an der Sprache? Eine tolle Möglichkeit dazu sind Wimmelbücher. Unser allerliebstes zeigt viele verschiedene Szenen einer Stadt, den Markt, den Hafen, den Flughafen, den Trubel der Innenstadt. Jedes Bild ist eine humorvolle Momentaufnahme des Alltags, ein verrücktes Durcheinander von Menschen und Fahrzeugen. Bei jedem Durchblättern entdeckt man neue Details – egal ob als kleiner oder großer Leser. Genau das macht Wimmelbücher so attraktiv. Die kleinen Leser zwischen zwei und drei Jahren haben vor allem Freude an den Bildern und dem Entdecken. Durch das Benennen der einzelnen Elemente wächst der Wortschatz und Wahrnehmung wird gefördert. Im Laufe der Zeit werden die Beschreibungen immer detaillierter. Im besten Fall regen die lebhaften Bilder die kindliche Fantasie auch zum Erfinden eigener spannender Geschichten an. Eine andere Möglichkeit, um die Kinder vom Zuhörer zum Erzähler zu machen, ist das sogenannte „dialogische Vorlesen“. Mit Fragen wie „Wie könnte das Buch wohl ausgehen?“ oder „Was hast du gemacht?“ regt man eine Auseinandersetzung mit der Geschichte an. Dieses freie Sprechen, das Weiterzählen und Argumentieren ist unheimlich förderlich für die kommunikativen und sozialen Kompetenzen, die beim Schuleinstieg so wichtig sind.
Keine Sorge, wenn das Interesse an Buchstaben erst später kommt
Aber auch schon das „stinknormale“ Vorlesen vermittelt den Kindern wichtige Sprach-Erfahrungen. Sie erleben zum Beispiel, wie viel Spaß Bücher machen können, dass es sich lohnt, lesen zu lernen oder einfach, dass man deutschsprachige Texte von links nach rechts liest. Und natürlich dürfen Kinder auch selbst drauflos schreiben und „aktive“ Erfahrungen mit Buchstaben machen – zum Beispiel durch Stempel oder Buchstaben-Puzzle. Interessante Wörter wie den eigenen Namen, Mama oder Papa kann man ruhig mal vorschreiben und nachschreiben lassen. Ganz ohne Druck oder Zwang versteht sich. Denn auch alle Eltern, deren Kind kurz vor der Einschulung seinen Namen noch nicht schreiben kann und sich nicht für Buchstaben interessiert, brauchen sich keine allzu großen Sorgen machen. In der Schule lernen die meisten Kinder früh genug zu lesen und zu schreiben und zwar von den Experten dafür – den Lehrkräften.
Interessiert sich dein Kind schon für Buchstaben? Findet es Lesen und Schreiben spannend? Förderst du das Interesse aktiv? Wenn ja, wie? Schreib uns dazu gerne einen Kommentar!
Birk Grüling
Birk Grüling ist vormittags schreibender und nachmittags spielender und vorlesender Papa. Als freier Autor schreibt er nicht nur Texte für Kinder, sondern auch für Medien wie Spiegel Online, RND, Süddeutsche Zeitung, Eltern oder DAD über Väterrollen, frühe Kindheit und digitale Bildung. Leseliebe ist für ihn ... eine tolle Gelegenheit für gemeinsame Momente zum Kuscheln und Träumen.
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