Artikel: Bücher für Babys
 

Interview: Babybücher für die Kleinsten

Was und wie sollte man mit Babys lesen? Leseliebe hat dazu Entwicklungs­psychologin Prof. Dr. Sarah Jessen interviewt.

Leseliebe: Frau Prof. Jessen, Sie erforschen am Babylab der Universität zu Lübeck die Entwicklung von Babys und kleinen Kindern. Was interessiert Sie so an der Entwicklungsforschung?

Prof. Dr. Sarah Jessen: Ich finde es total spannend zu beobachten, wie sich ein Kind innerhalb weniger Jahre von einem Neugeborenen, das vollständig hilflos und auf seine Eltern angewiesen ist, zu einem sprechenden, laufenden Kleinkind mit eigener Meinung und Persönlichkeit entwickelt. Und in meiner Forschung versuche ich besser zu verstehen, wie genau das passiert.

Leseliebe: Für uns bei Leseliebe ist in der frühkindlichen Entwicklung ganz besonders auch die Bedeutung von Büchern spannend. Was können Sie dazu aus Ihren Forschungen berichten? Profitieren Babys von einem frühen Kontakt zu Büchern? Wenn ja, inwiefern?

Prof. Dr. Sarah Jessen: Ich selber forsche ja vor allen Dingen zur sozialen Entwicklung von Kindern, und da sind Bücher bei den ganz Kleinen vor allen Dingen ein toller Anlass zum sozialen Austausch. Quasi mit dem Baby ins Gespräch kommen. Im ersten Lebensjahr werden ganz wichtige Grundlagen für die spätere soziale Entwicklung gelegt, das Kind lernt zum Beispiel vertraute Gesichter und Stimmen wiederzuerkennen. Und wenn sich die Eltern (oder natürlich auch die Großeltern oder andere Personen) mit ihrem Kind zusammen ein Buch anschauen, ist das ja immer auch Zeit, die sie intensiv mit dem Kind verbringen. Außerdem bietet ein Buch Gelegenheit dem Kind etwas zu erzählen, mit dem Kind zu sprechen, und auch wenn sie selbst noch nicht sprechen können, interessieren sich schon Babys sehr für Sprache und lernen dabei wichtige Grundlagen, die sie fürs Sprechenlernen brauchen.

Gemeinsames Lesen – fördert Sprachentwicklung und Bindung

Leseliebe: Was sollte ein Buch für Babys generell berücksichtigen?

Prof. Dr. Sarah Jessen: Generell profitieren Babys vor allen Dingen davon, wenn sie sich gemeinsam mit anderen mit einem Buch beschäftigen. Damit das passiert, sollte ein Buch natürlich sowohl das Babys als auch die Eltern ansprechen, sodass beide Lust haben, sich das Buch anzuschauen. Für das Baby ist es vor allem interessant, vertraute Dinge zu sehen, die klar und übersichtlich gestaltet sind. Und die Dinge sollten Eltern dazu einladen, etwas zu ihnen zu erzählen, denn die Sprache ist für das Baby mindestens genauso wichtig wie das Bild. Was genau dabei gesprochen wird, ist gar nicht so wichtig, aber weil es manchen Eltern schwerfällt, einfach drauf los zu erzählen, kann es hilfreich sein, den Eltern im Buch Ideen für kleine Sprachspiele und ähnliches zu geben.

Leseliebe: Sie selbst haben gerade gemeinsam mit dem Carlsen-Verlag Baby Pixis für Babys ab 3 und ab 6 Monaten entwickelt. Wie kam es dazu?

Prof. Dr. Sarah Jessen: Frau Banser hatte mich mit der Idee kontaktiert, ein Pixi-Buch für die ganz Kleinen zu entwickeln, und ob ich Interesse daran hätte, das Projekt wissenschaftlich zu begleiten. Und da ich besonders auch die Verknüpfung von Grundlagenforschung und Anwendung spannend finde, hatte ich da sofort große Lust zu und fand das Projekt auch von der Idee her total interessant.

Leseliebe: Wie lief die Zusammenarbeit ab?

Prof. Dr. Sarah Jessen: Wir haben zusammen überlegt, welche Aspekte an einem Buch Babys wichtig sind, jede aus ihrer Perspektive. Frau Banser hatte schon einen ganz tollen ersten Entwurf, und ich habe da vor allem nochmal durch meine Wissenschaftlerinnen-Brille draufgeschaut. Dann wurden die Entwürfe noch ein paarmal hin und her geschickt, und das war es an sich auch schon.

Gemeinsames Lesen – fördert Sprache und Bindung.

Leseliebe: Was ist der Unterschied zwischen dem Baby Pixi für Babys ab 3 und dem für Babys ab 6 Monaten?

Prof. Dr. Sarah Jessen: Da Babys mit 6 Monaten schon schärfer sehen können, gibt es in dem Buch für die Älteren auch mehr Details und Feinheiten zu entdecken. Außerdem spielt mit zunehmendem Alter auch das Wiedererkennen von vertrauten Gegenständen oder Tieren eine Rolle, während es bei den ganz Kleinen eher um Farben, Formen und Kontraste geht.

Leseliebe: In den Baby Pixis gibt es keinen speziellen Vorlesetext. Was also ist beim ersten „Vorlesen“ wichtig?

Prof. Dr. Sarah Jessen: Wie oben schon erwähnt, geht es bei Babys vor allen Dingen darum, überhaupt mit ihnen zu sprechen und weniger um spezielle Inhalte. So lernt das Baby zum einen die Laute und Melodie seiner Muttersprache(n) kennen, zum anderen spielt aber der soziale Austausch eine große Rolle; das Baby freut sich, wenn sich jemand mit ihm beschäftigt, und lernt ganz nebenbei, wie eine Unterhaltung abläuft. Dafür hilft es natürlich, wenn die Vorlesenden nicht nur ihren Text aufsagen, sondern direkt auf die Signale des Babys reagieren. Gerade deshalb gibt es in den Baby Pixis auch keinen vorgegebenen Text, sondern eher Gesprächsanregungen.

Leseliebe: Was können oder möchten Sie als Entwicklungspsychologin abschließend Eltern zum Thema „Babys und Lesen“ mit auf den Weg geben?

Prof. Dr. Sarah Jessen: Das Wichtigste ist, denke ich, dass Eltern und Babys Spaß beim Vorlesen und der gemeinsamen Beschäftigung mit Büchern haben. Es geht darum, dass beide etwas Schönes zusammen machen, gemeinsam Neues entdecken, Spaß an Sprache haben. Also eigentlich gar nicht so anders als beim Vorlesen mit älteren Kindern auch.

Entwicklungspsychologin

Prof. Dr. Sarah Jessen

Sarah Jessen forscht am Babylab der Universität zu Lübeck unter anderem zur Emotionsverarbeitung und sozialen Interaktion im Säuglingsalter. Für den Carlsen-Verlag hat sie die Entwicklung der ersten Baby-Pixi-Kontrastbücher für drei und sechs Monate alte Babys wissenschaftlich begleitet.

Prof. Dr. Sarah Jessen ha die Entwicklung der Baby-Pixi-Kontrastbücher für Babys wisseenschafltich begleitet

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