Artikel: 2-5 Jahre
 

Gastbeitrag: Nachtschreck und Albträume bei Kindern

Expertin Melanie Schüer erklärt dir Wissenswertes über Albträume und Nachtschreck bei Kindern & gibt wertvolle Tipps!

Die Nächte mit Kleinkindern sind nicht immer ruhig. Während Säuglinge oft nachts Hunger haben oder weinen, weil sie Nähe suchen, ändert sich die Situation im Kleinkindalter. Träume und Fantasie werden hier besonders wichtig. Im folgenden Artikel erfährst du, was es mit Albträumen und dem sogenannten Nachtschreck auf sich hat und was diese mit der magischen Phase bei Kleinkindern zu tun haben.

„Es war mitten in der Nacht und meine vierjährige Tochter hat ganz plötzlich extrem angefangen zu schreien“, berichtet Moritz besorgt, „Sie saß aufrecht im Bett, fuchtelte wild mit den Armen herum, schwitzte und weinte ganz aufgebracht. Ich versuchte, sie mit einer Umarmung zu beruhigen und sprach beruhigend auf sie ein, aber es wirkte, als würde ich gar nicht zu ihr durchdringen. Könnte das der Nachtschreck sein?“ Tatsächlich, so oder so ähnlich äußert sich der sogenannte Nachtschreck (pavor nocturnus). 20% aller Kinder haben diesen schon einmal erlebt; üblicherweise tritt er zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr auf. Selten können allerdings auch Babys und Erwachsene den Nachtschreck erleben.

Albträume und Nachtschreck Kinder Was ist ein Nachtschreck

Was passiert bei einem Nachtschreck eigentlich?

Wesentlich ist, dass das Kind plötzlich aus dem Tiefschlaf heraus wach wird und panisch reagiert. Obwohl es womöglich die Augen offenhält, ist es nicht ansprechbar, weil es nicht wirklich wach ist. Das ist vergleichbar mit dem Schlafwandeln – die Kinder sind aktiv, sind sich dessen aber nicht bewusst und sind nicht orientiert. In der Regel ereignet sich der Nachtschreck in der ersten Nachthälfte und dauert fünf bis fünfzehn Minuten. Danach schläft das Kind weiter und kann sich höchstwahrscheinlich gar nicht an den Schrecken erinnern. Wenn das Kind sich während des Schreckausbruchs problemlos wecken lässt bzw. schon wach ist und womöglich sogar von einem Albtraum berichtet, handelt es sich nicht um einen Nachtschreck – dann hat das Kind offenbar einfach schlecht geträumt. Auch wenn ein Baby schreiend aufwacht, dann aber auf seine Eltern reagiert, spricht man nicht von einem Nachtschreck. Das Baby ist dann einfach aufgewacht und hat sich dabei erschrocken.

Ist ein Nachtschreck gefährlich?

Ein Nachtschreck kann ganz schön beunruhigend wirken, die gute Nachricht ist aber: Diese nächtlichen Schreckmomente gehen meist von selbst wieder weg und sind harmlos, wenn sie nur gelegentlich vorkommen. Eltern sollten allerdings doch lieber mit einem Kinderarzt sprechen, wenn der Nachtschreck mindestens einmal pro Woche oder häufiger auftritt und/oder das Kind sehr stark belastet wird. Dann sollten auch mögliche medizinische Ursachen wie z.B. Epilepsie ausgeschlossen werden. Häufig sind dazu relevante Untersuchungen mit einem Besuch im Schlaflabor verbunden.

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Warum passiert das überhaupt?

Die genaue Ursache für den Nachtschreck ist noch unklar. Vermutlich kommt es beim Übergang vom Tiefschlaf in den Leichtschlaf zu einer Störung. Das wiederum wird darauf zurückgeführt, dass bei Kindern das Nervensystem noch nicht fertig gereift ist. Konkrete Auslöser können Stress, Veränderungen, z.B. im Alltag oder in der Wohnumgebung, aber auch Schlafmangel, Fieber, bestimmte Medikamente oder Überreizung, z.B. durch zu häufige Mediennutzung sein.

Was ist der Unterschied zu Albträumen und dem Nachtschreck?

Es ist nicht immer einfach, den Nachtschreck von einem Albtraum zu unterscheiden. Beide haben mit Angst und Erschrecken zu tun. Allerdings treten Albträume meist eher gegen Ende der Nacht auf (da dort der Traumschlafanteil zunimmt) und der Nachtschreck meist in der ersten Nachthälfte. Auch können sich Kinder oft an Albträume erinnern – direkt danach oder auch am nächsten Morgen. Der Nachtschreck ist ein Aufschrecken aus der Tiefschlafphase heraus, ohne bewusstes „wach sein“.

Beim Albtraum wachen Kinder meist von selbst auf oder sie sind leicht zu wecken – das sollte man als Elternteil dann ruhig auch versuchen und dem Kind mit tröstenden Worten erklären, dass es in Sicherheit ist und alles nur ein Traum war. Beim Nachtschreck merkst du als Bezugsperson schnell, dass sich das Kind nicht wecken lässt und sollte dies dann auch nicht versuchen, sondern einfach da sein und ebenfalls mit beruhigenden Worten Sicherheit vermitteln. Nach einem Albtraum tut eine Kuscheleinheit meistens gut – beim Nachtschreck ist das nicht unbedingt so. Versuche einfach, ob dein Kind in den Arm genommen werden möchte. Es kann aber sein, dass es vor lauter Anspannung um sich schlägt oder dich wegdrückt. Das solltest du dann nicht persönlich nehmen und einfach in der Nähe bleiben und schauen, dass keine Verletzungen entstehen.

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Die ‚magische Phase‘ – Warum haben Kinder überhaupt nachts Angst?

Etwa zwischen zwei und fünf Jahren befinden sich Kinder in der „magischen Phase“, in der die Fantasie des Kindes sehr ausgeprägt ist und sich oft mit der Wirklichkeit vermischt. Kinder haben hier viele für uns erstaunliche, fantasiegeleitete Ideen, die mit Fabelwesen, Zauberkräften o.ä. zu tun haben können. Sie beziehen auch vieles auf sich selbst (vielleicht regnet es, weil sie gemein waren?) und nehmen auch Gegenstände wahr, als hätten diese Gefühle oder eigene Gedanken (z.B. „Mein Spielauto ist müde“ oder „Die Sonne ist schüchtern“). Das ist total spannend, doch leider kann die Fantasie auch erschreckende Vorstellungen erzeugen und so spielt die Angst vor Monstern, Hexen, wilden Tieren, die im Schlafzimmer sein könnten, in diesem Alter oft eine große Rolle. Das Kind begreift erst später, mit dem Wachstum, wie unrealistisch diese Ideen sind. In diesem Alter erscheint alles möglich – eben auch sehr unheimliche Szenarien. Man sollte daher sehr gut aufpassen, welche Bücher oder Videos man dem Kind zeigt, da es anfällig für „gruselige“ Inhalte ist. Doch auch ohne solche Inhalte kann die Fantasie Ängste hervorrufen. Angst in der Dunkelheit tritt ebenso häufig auf, da sich gefährliche Wesen irgendwo verstecken könnten. Überhaupt wirken die Stille und das Alleinsein in der Nacht dann für viele Kinder bedrohlicher und oft werden die Ängste in Albträumen verarbeitet. Im fachlichen Diskurs wird angenommen, dass diese Ängste auch die Neigung zum Auftreten eines Nachtschrecks begünstigen.

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Wie Eltern ihr Kind bei Herausforderungen in der Nacht begleiten können

Auch wenn das Kind nicht ansprechbar ist, sollten Eltern es während des Nachtschrecks begleiten. Rede deinem Kind zwischendurch gut zu, teste, ob es gestreichelt oder im Arm gehalten werden mag oder bleibe einfach neben ihm. Versuche, möglichst viel Sicherheit und Entspannung auszustrahlen. Dazu kannst du auf eine tiefe, ruhige Bauchatmung achten und dir selbst innerlich beruhigende Sätze sagen wie „Es ist alles gut, so etwas kommt vor.“
Verzichte auf Versuche, dein Kind zu wecken. Das hat meist nur zur Folge, dass das Kind sehr ängstlich, verwirrt oder aggressiv reagiert. Spende einfach Nähe und achte darauf, dass dein Kind sich nicht durch unkontrollierte Bewegungen verletzt. Ganz verhindern lässt sich ein Nachtschreck meist nicht, aber bestimmte Aspekte fördern Entspannung und können daher das Risiko für einen Nachtschreck zumindest reduzieren:

  • Für genügend Schlaf sorgen – sowohl nachts als auch beim Mittagsschlaf.
  • Ein liebevolles Einschlafritual mit viel Kuscheln, einem Gespräch über das, was das Kind am Tag erlebt hat und ruhiger Musik oder entspannenden Geschichten.
  • Überreizung vermeiden: Babys und Kleinkinder bis zwei Jahre sollten nicht vor Bildschirmen sitzen, Kinder zwischen zwei und sechs Jahren nicht mehr als ca. 30 Minuten am Tag. Achte darauf, dass der Alltag deines Kindes nicht zu voll ist und genügend Phasen zur Erholung und zum freien Spiel ermöglicht.
  • Mit dem Kind Entspannungstechniken vor dem Einschlafen einüben, z.B. Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training (dazu gibt es altersgerechte Bücher und CDs speziell für die Nutzung mit Kindern).
  • Ängste, die das Kind anspricht, ernst nehmen. Einerseits sollte man erklären, dass es Monster o.ä. nicht gibt und z.B. auch vor dem Schlafengehen mit dem Kind das Zimmer inspizieren, wenn es Angst hat, dass sich dort jemand versteckt. Andererseits sollte man aber auch, wenn man merkt, dass das nicht reicht, auf die Fantasien eingehen: „Ok, es gibt ja eigentlich keine Ungeheuer. Aber weißt du was, wenn man trotzdem immer an welche denkt, dann kann man ein Ungeheuer-Abwehr-Spray benutzen. Das mögen die gar nicht riechen und das hilft auch gegen die Gedanken an Ungeheuer.“ Man kann dann z.B. eine Sprühflasche besorgen und Wasser mit ein paar Tropfen Lavendelöl einfüllen.
  • Eine kurze Massage vor dem Schlafengehen, am besten mit Mandelöl (bei Kindern ab zwei Jahren kann man 1-2 Tropfen naturreines Lavendelöl beimischen).
  • Du kannst dich in der Apotheke auch nach einem für das Alter geeignetem beruhigenden Tee erkundigen. Da aber auch Pflanzen medizinisch wirken, solltest du diesen nur kurzzeitig nutzen.
  • Ausgleichende Pflanzenauszüge findet man außerdem in den Calmedoron Globuli von Weleda und auch in Broyphyllum Pulver 50%. Allerdings sollte man auch diese Mittel nur für ein paar Wochen bis wenige Monate geben und ihre Unbedenklichkeit für das eigene Kind sicherheitshalber mit dem Arzt oder Apotheker besprechen.

Albträume und der Nachtschreck können ziemlich beängstigend sein und wenn sie öfter auftreten, die nächtliche Erholung sehr beeinträchtigen. Vergiss‘ nicht: Auch diese Phase geht vorbei. Wenn diese nächtlichen Episoden aber sehr häufig auftreten, kann es hilfreich sein, dies mit dem Kinderarzt zu besprechen, um eventuelle körperliche Ursachen auszuschließen. Doch keine Sorge – dass dabei eine ernsthafte Erkrankung entdeckt wird, ist äußerst selten.

Erziehungswissenschaftlerin, Expertin für Schlafprobleme

Melanie Schüer

Melanie Schüer ist Expertin für Schwangerschaft, Schrei- und Schlafprobleme sowie das Kita-Alter. Die Erziehungswissenschaftlerin ist Mutter eines Sohnes und einer Tochter und persönlich vertraut mit dem Mix aus Augenringen, tiefem Glück, bleischwerer Erschöpfung, Frust & Chaos, welche das Eltern-Sein mit sich bringt.

Melanie Schüer

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